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Allgemeines

Gruppendynamik im politischen Bildungsurlaub

ERWACHSENENBILDUNG - Zeitschrift für Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung

Seminarbericht

 

„Wie habe ich den Fall der Mauer erlebt?“ „Wie hattest Du am 11.  September 2001 die Nachrichten aus New York aufgenommen?“ „Wie politisch waren für mich die 1970er Jahre?“

Es kann sehr produktiv sein, sich über erlebte Zeitgeschichte mit persönlichen Erzählungen zu verständigen – die Perspektiven der anderen kennen lernen und gelten lassen, Feedbacks austauschen und nicht unbedingt immer gleich eine Diskussion darüber anfangen, 'wie es damals tatsächlich gewesen ist'.



Erwachsenenbildner und DGGO-Mitglied Enrico Troebst berichtet in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ERWACHSENENBILDUNG über ein Seminardesign, das die persönlichen Sichtweisen und Erinnerungen zum Ausgangspunkt für ein gemeinsames Nachdenken über erlebte Geschichte macht, und das als Bildungsurlaubs-Angebot im Bonifatiushaus Fulda erprobt wurde.



„Der größte Feind des Historikers ist der Zeitzeuge“ scherzen Geschichtswissenschaftler gelegentlich, wenn es in Diskussionen mit einem Laienpublikum hoch her geht, weil sich wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mit dem subjektiven Erleben der Dabei-Gewesenen in Deckung bringen lassen. Es ist eine Aufgabe der politischen Bildung, zwischen beiden Perspektiven zu vermitteln: einerseits die Historikersicht mit quellenkritischen Analysen und theoretisierenden Einordnungen, andererseits die subjektive Erfahrung, die im Wesentlichen darauf angelegt sein muss, das Erlebte im persönlichen biografischen Sinnzusammenhang einzuordnen.

Und wenn es gelingt, ebendiese subjektive Sicht zum Ausgangspunkt einer politischen Bildungswoche zu machen, dann gibt es zunächst auch ohne Historikerexpertise viel voneinander zu lernen: z.B. über milieugeprägte biografische Orientierungen in einer Zeit, die nunmehr 'Geschichte' geworden ist, oder über alters- bzw. kohortenspezifische Sichtweisen auf historische Ereignisse und Ereignisphasen.



Für Teilnehmende eines politischen Bildungsurlaubs kann es freilich überraschend sein, wenn nicht die Vorträge des Seminarleiters die Veranstaltung strukturieren, sondern wenn sie selbst dazu aufgefordert werden, das Material für die Auseinandersetzung mit historischen Begebenheiten und Epochen zu liefern. In dem Bericht von Enrico Troebst geht es um ein Seminardesign, auf das sich die Teilnehmenden in diesem Sinne einlassen konnten.

 

Enrico Troebst: Geschichten und Geschichte – biografisches Erzählen in der politischen Bildung. in: ERWACHSENENBILDUNG Zeitschrift für Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung 2/2017 (Jg. 63), S. 83f . (Link zum Verlag)